Coucouoeuf, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

Parteispenden und Wahlkampffinanzierung in Frankreich: am besten im Comic zu erklären

Heute empfehle ich ein Buch, das ich gar nicht gelesen habe, aber gern hätte. Weil es anders ist und ein Thema behandelt, das auch in Deutschland für manche politische Diskussion gut ist: Parteienfinanzierung. Élodie Guéguen und Sylvain Tronchet, Mitglieder des Investigativrecherche-Teams von Radio France, haben jüngst ihre gesammelten Erkenntnisse zu den Tricks der Parteien- und Politikfinanzierung in Frankreich veröffentlicht. Das Besondere daran: Das Buch „Très chers élus. Enquête sur 40 ans de financement politique“ kommt nicht als dicker, textlastiger Wälzer daher, sondern als Comic, gezeichnet von Erwann Terrier.

Wer nun denkt, was sollte uns in Deutschland die Parteienfinanzierung in Frankreich interessieren, mag nochmal in sich gehen. Denn zwar haben wir auch in Deutschland Skandale wie die Parteispendenaffäre in den 1980er-Jahren, aber beim genaueren Blick scheinen unsere westlichen Nachbarn uns einiges voraus zu haben bei dem Vorhaben, Gelder für die Parteienfinanzierung abseits der bestehenden Vorschriften einzuwerben. Davon zeugt unter anderem, dass der Ex-Präsident Nicolas Sarkozy tatsächlich zu einem Jahr Haft verurteilt wurde, weil er das zulässige Wahlkampfbudget überdehnt und versucht hatte, auf verschlungenen Wegen zusätzliches Geld in den Wahlkampf zu pumpen.

Wir können also durchaus noch etwas lernen und daraus Schlüsse ziehen, wie wir die Situation im eigenen Land möglicherweise verbessern können.

Frankreich hat strikte Regeln zur Wahlkampffinanzierung

Eigentlich sind die Regeln der Parteienfinanzierung in Frankreich nämlich recht streng. Darüber klärt uns die Grüne Heinrich-Böll-Stiftung in einem sehr lesenswerten Vergleich der deutschen und der französischen Parteienfinanzierung auf. In Frankreich werden beispielsweise Wahlkampfkosten für die Präsidentschaftswahlen gedeckelt. Davon ausgehend erstattet der Staat dann einen Anteil der Wahlkampfausgaben. Laut Böll-Stiftung durften die Parteien bei der Präsidentschaftswahl 2022 für den ersten Wahlgang maximal 16,851 Millionen Euro und 22,509 Millionen Euro pro Partei im zweiten Wahlgang ausgeben. Erstattet werden davon 47,5 Prozent, wenn eine Partei über fünf Prozent der Wählerstimmen erhält.

Auch für die Parlamentswahlen gibt es ähnliche Regeln. Weil Frankreich ein Mehrheitswahlrecht hat und seine Parlamentsabgeordneten aus den Siegern in einzelnen Wahlkreisen rekrutiert, werden diese Obergrenzen dann auch pro Kandidat im Wahlbezirk definiert.

Es gibt sogar eine Kommission namens „Commission nationale des comptes de campagne et des financements politiques“ (CNCCFP), die über das Finanzgebaren der wahlkämpfenden Parteien wacht. Grundsätzlich dürfen Parteien die Ausgaben für ihre Wahlkämpfe nur aus eigenen Mitteln der Kandidierenden, der Parteien, aus Spenden und aus dem Verkauf von Wahlkampfprodukten bestreiten.

Genau diese Regeln wurden Sarkozy zum Verhängnis. Er hatte sein Budget überzogen und es mit gefälschten Rechnungen kleingerechnet. Das war der CNCCFP aufgefallen, es kam schließlich zur Anklage.

Reguläre Parteienfinanzierung ist nicht gedeckelt

Über die Wahlkampfkostenrückerstattung hinaus existiert in Frankreich auch noch eine reguläre Parteienfinanzierung. Diese besteht einerseits aus einem Pauschalbetrag für jeden Abgeordneten und zusätzlich einer weiteren Summe, die sich am Ergebnis der Partei im ersten Wahlgang der Parlamentswahlen orientiert. Anders als in Deutschland ist dieser Zweig der Parteienfinanzierung in Frankreich nicht gedeckelt. Allerdings knüpft Frankreich die volle Auszahlung der Parteienfinanzierung daran, dass die Kandidierendenlisten paritätisch besetzt sind. Daran könnte sich wiederum Deutschland ein Beispiel nehmen.

Die Regeln der Parteienfinanzierung in Frankreich sind grundsätzlich also strikt. Trotzdem ist die Liste der Versuche, sich bei der Parteienfinanzierung zu übervorteilen, sehr lang. Immerhin auf die vergangenen 40 Jahre blicken Élodie Guéguen und Sylvain Tronchet zurück. Beide sind absolute Fachleute für dieses Thema und haben bei Radio France bereits viel dazu veröffentlicht. Wer des Französischen mächtig ist, kann sich beispielsweise in dieser umfangreichen Recherche der beiden Autoren darüber informieren, wie die Verstöße gegen die Wahlkampffinanzierung während der Präsidentschaftsswahlen 1995 stilbildend für die folgenden Wahlen wurden.

Die 1995er-Wahlen sollten eigentlich modellhaft werden, weil damals erstmals verschiedene neue Gesetze angewendet wurden, mit denen Missstände bei der Wahlkampffinanzierung beseitigt werden sollten. Bereits damals wurden Budgets überschritten, was durch falsche Rechnungen verschleiert werden sollte. Auch wurden Unternehmensspenden über das zulässige Maß hinaus auf verschlungenen Wegen an die Parteien geleitet.

Investigativer Comic über Dortmunder Neonazi-Untergrund

Investigative Recherchen als Comic veröffentlichen? Das ist ein eher unüblicher Weg, oder? In Deutschland scheint dies nicht allzu häufig vorzukommen. Eine Ausnahme sticht dabei heraus. Der Rechercheverbund Correctiv veröffentlichte 2015 seine Recherche „Weiße Wölfe“ über den rechten Terror im Untergrund am Beispiel der Dortmunder Neonazi-Szene als Comic. Dieser ist hier frei zugänglich. Autor David Schraven begründet die Darstellungsform in einem Beitrag des WDR-Magazins „Westart“ damit, dass man so besser Elemente der Geschichte abbilden konnte, die über die reine Faktenrecherche hinausgegangen seien.

Zeichnerisch lässt sich Kurioses besser ausdrücken

Genau diese verschlungenen Wege zeichnen Guégen und Tronchet nun in ihrem Comic nach. Das Stilmittel haben sie unter anderem auch deshalb gewählt, weil sich zeichnerisch das Satirische, ja teilweise Lächerliche an den Versuchen der Politikerinnen und Politiker, Geld aus verbotenen Quellen zu generieren, besser darstellen ließ. Der Comic gestatte es, Sachverhalte allgemeinverständlich darzustellen, ohne sie unzulässig zu vereinfachen, meint Élodie Guéguen im Interview mit Le Télégramme.

In einem Interview auf der Internetseite ihres Verlags Editions delcourt betonen beide Autoren, dass es ihnen darum gegangen sei, die Verfehlungen der vergangenen 40 Jahre zu sammeln und der Öffentlichkeit breit zugänglich zu machen. Im klassischen politischen Diskurs sei es immer wieder um einzelne Skandale und Maßnahmen gegangen, bis die Debatte schnell wieder einschlief. Dabei müsse man trotz aller Verbesserungen weiter wachsam bleiben. Denn jede neue gesetzliche Regelung schuf neue Schlupflöcher, die Parteien und Politiker flugs nutzten. Daran wolle man erinnern und mit dem Buch für mehr Transparenz in der französischen Politik werben, meint Élodie Guéguen in einem Verlagsvideo.

Dass ihnen dieses Vorhaben gelungen ist, zeigt die Voransicht des Werks, die beim Verlag abrufbar ist. Dort zeigt sich, dass Zeichner Erwann Terrier viel Spaß daran hatte, das politische Personal wie auch die dargestellten Sachverhalte immer hart an der Karikatur entlang darzustellen. Diese Möglichkeit eröffnet sich ihm, weil zeichnerisch besser auf Szenen eingegangen werden kann, deren genauer Ablauf im Dunkeln liegt. Aber wie es gewesen sein könnte, lässt sich besser zeichnen als textlich beschreiben.

So lassen sich (Alb-)Traumbilder eines Kassenwarts, das im Wald vergrabene illegale Parteispenden möglicherweise von Wildschweinen gefressen wurden, im Comic besser ausdrücken als in anderen Darstellungsformen. Auch die Traumsequenz, dass ein Schatzmeister der Konservativen Dagobert-Duck-like in einen Geldhaufen springt, ist gut für den Comic geeignet, während sie in einer textbasierten Recherche eher verstören würde.

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