Simulation des Flyovers Aegidiitor (Grafik: Stadt Münster)

„Flyover“ Aegidiitor: Lasst die Träume fliegen

Im Kommunalwahlkampf gefallen sich die örtlichen Parteien darin, tolle Projekte vorzuschlagen, deren Realisierung eher unwahrscheinlich ist, die aber in der Wahlkampagne praktischerweise von den eventuell größeren Problemen der Stadt ablenken. Wir erinnern uns: Im Jahr 2015 dominierte die SPD die Diskussion mit ihren Vorschlägen für ein Spaßbad an der ehemaligen Oxford-Kaserne in Gievenbeck. Gebaut oder wenigstens konkret geplant wurde es glücklicherweise bis heute nicht. Für den nahenden Kommunalwahlkampf 2020 legt nun die schwarz-grün gestützte Stadtverwaltung ein traumhaftes Thema vor: eine Fahrradbrücke über die derzeitige Bundesstraße 54 am Aegidiitor (Abbildung: Stadt Münster).

Was es mit dem „Flyover Aegidiitor“ auf sich hat, geht aus einer Ratsvorlage hervor, die am 10. März 2020 in die Bezirksvertretung Münster-Mitte geht und über weitere Ausschuss-Stationen schließlich am 25. März 2020 im Rat beschlossen werden soll. Grob geht es darum, die Überquerung der Aegidiistraße und der Straße Am Stadtgraben/B54 mit dem Rad von der Promenade kommend in Richtung Bismarckallee zu vereinfachen. Dafür soll eine Fahrradbrücke über den Aegidiitor genannten Flecken geführt werden. Der Rat soll zunächst den Förderantrag auf den Weg bringen.

Radverkehrssituation ist angespannt

Der Bedarf für eine Verbesserung der Radverkehrssituation dort ist zweifelsohne da. Laut Vorlage passieren täglich mehr als 30.000 Radlerinnen und Radler diesen Abschnitt – und müssen zwischen 31.000 Autos hindurch, die nur zum Teil, nämlich Am Stadtgraben, per Ampel gestoppt werden. Auf der Aegidiistraße gibt es nur einen Zebrastreifen. Derzeit wird der Radverkehr von der Promenade herunter über die Aegidiistraße und Am Stadtgraben wieder auf die Promenade geführt. Außerdem gibt es die Möglichkeit, von der Aegidiistraße über die Kreuzungsampel Richtung Bismarckallee zu fahren.

Die Brücke soll nun den Bogen von der Promenade zur Bismarckallee schlagen. Keine Ampel und keine Kreuzung würde mehr den Radverkehr behindern. Wer dann allerdings wieder auf die Promenade jenseits Am Stadtgraben möchte, muss ein Stück zurückfahren oder die alten Querungen nutzen. Die Verwaltung ordnet das Projekt in die Schaffung von „Velorouten“ ein, vorwiegend touristischen Luxus-Radwegen, die aus dem Umland nach Münster führen sollen.

2,5 Millionen Euro sind kein Pappenstiel

Billig ist der Brückenschlag nicht. Die Verwaltung gibt die Gesamtkosten mit etwa zehn Millionen Euro an. 75 Prozent davon würden gefördert, die Stadt müsse also „nur“ 2,5 Millionen Euro zahlen. Ganz schön viel Geld!

Ist diese Summe wirklich nötig, um die Radverkehrssituation an dieser Stelle zu verbessern? Zweifel sind angebracht. Denn interessant an der Beschlussvorlage ist, dass sie zwar farbig – und zutreffend! – ausmalt, wie schlimm die Verkehrssituation am Aegidiitor ist, aber keine Alternativen diskutiert.

Macht die Aegidiistraße autofrei!

So könnten unbefangene Betrachterinnen und Betrachter sich fragen, warum überhaupt Autos auf der Aegidiistraße fahren müssen. Vom Lieferverkehr mal abgesehen, nutzen Privat-Pkw die Strecke nur als Zufahrt zur Tiefgarage Aegidiimarkt. Dorthin gelangt man aber super über den Bispinghof. Die Aegidiistraße ließe sich sicher weitgehend autofrei gestalten. Damit wäre eine erste gefährliche Hürde für den Radverkehr deutlich entschärft. Auch die Abbiegesituation an der nahen Kreuzung mit der B54 würde wesentlich übersichtlicher.

Bundesstraße wird verlegt

Erstaunlich ist auch, dass die Beschlussvorlage bei der Schilderung der Verkehrsbelastung einen wesentlichen Punkt außen vor lässt. Die B54 am Stadtgraben gibt es bald nicht mehr. Denn der Landesbetrieb Straßen NRW hat voriges Jahr die von der Stadt beantragte Verlegung der Bundesstraße genehmigt. Sie wird demnächst über die Ringe verlaufen.

Der Fern- und Durchgangsverkehr wird also nicht mehr über den Stadtgraben fahren, sobald die neue Routenführung in den Navigationsgeräten angekommen ist und die Beschilderung geändert wurde. Es verbleibt der innerstädtische Verkehr. Die Stadt erwägt sogar, die Straße im Bereich Schlossplatz zurückzubauen, weil eine Verringerung des Verkehrsaufkommens erwartet wird.

Entspannung ist möglich

Das kann doch nur heißen, dass sich die Kreuzungssituation Am Stadtgraben weiter entspannt. Es müsste doch möglich sein, die vorhandenen Radwege dort auszubauen und Ampelschaltungen für Radler zu verlängern. Vermutlich wäre das wesentlich günstiger als 2,5 Millionen Euro.

Ein Brückenbau scheint vor dem Hintergrund dieser Überlegungen unnötig zu sein. Die Brücke mag zwar ein Wahlkampfschlager sein, praktischen Nutzen hat sie nicht. Der städtische Eigenanteil sollte besser in die Verbesserung der vorhandenen, maroden Radwegeinfrastruktur in Münsters Innenstadt investiert werden.

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